Ecuador und Deutschland, ein Vergleich

 

Nachdem wir uns nach unserem Quitoaufenthalt wieder in Lampertheim und Umgebung eingelebt haben, liegt es nahe einmal, einen Vergleich zu ziehen. Die Kultur, Landschaft und das Leben selbst tickt einfach anders auf der anderen Seite der Weltkugel. Also was genau ist sind denn die Unterschiede?

Das erste was man aus dem Flieger schon erkennt: dort gibt es Berge! Und zwar richtige, nicht so ein bisschen Odenwald, sondern mit um die 5.800m sind schon zwei Vulkane bei Quito ausgewachsene Berge. Die vulkanreiche Gegend macht es übrigens für alle Anwohner selbstverständlich, immer einen Survival-Rucksack im Auto zu haben. Man weiß ja nie, wann der Cotopaxi mal wieder ausbricht…

Die Höhe (Quito liegt als höchste Hauptstadt der Welt schließlich auch schon auf 2.850m) haben wir auch direkt zu spüren bekommen. Zumindest in den ersten Tagen, war es nicht möglich, eine einfache Treppe zu erklimmen, ohne oben angekommen erstmal zu schnaufen wie nach einem 10km-Lauf. Ganz zu schweigen von Gesangseinlagen auf 4.000m oder dem berühmten „Durchsingen“! Es fühlte sich an, als hätten wir einen Lungenflügel im Flieger gelassen. Erst gegen Ende unseres Aufenthalts war es wieder möglich, sich beim Bergauf-Laufen auch zu unterhalten.

Durch die Nähe zum Äquator ergeben sich auch noch andere Naturphänomene: Die Sonne geht zum Beispiel das ganze Jahr über um Punkt 6 Uhr auf und um 18 Uhr unter. Das ist praktisch, wenn man sich unter der Woche von ihr wecken lassen will, aber bei sommerlichen Temperaturen um 18:30 im Dunklen zu sitzen, ist schon seltsam. Zudem wird es mit der Dunkelheit auch richtig kalt! Als deutsche Frostbeule habe ich immerhin drei Decken gebraucht um bei ca. 5-8°C Außentemperatur ohne Heizung nicht zu erfrieren. Das kommt eben durch diese Höhe, ebenso wie die enorme Sonneneinstrahlung. Sie scheint eben gefühlt von 10 bis 16 Uhr senkrecht, sodass es wenig Schatten gibt. Also immer an Sonnencreme denken, und als Hut dient alles, was gerade greifbar ist (Panamahut, Schal, Zeitung, Meerschweinchen…). Ansonsten gibt es dort auch keine Jahreszeiten, sondern lediglich während unseres Herbstes und Frühlings vermehrt Regen. Persönlich wäre mir das fast zu langweilig, wie soll man sich denn da im Winter über den Schnee und im Sommer über die Hitze beschweren?

Direkt nach der Landung haben wir die Straßen Quitos kennengelernt. Wer sich hierzulande über „Schlaglöcher“ und fehlende Straßenmarkierungen beschwert, hat es schwer. In abenteuerlichen Bussen, deren Stoßdämpfer einiges gewohnt sind, ging es in Serpentinen, über sehr schmale Brücken und mit extremen Steigungen in der Stadt hoch und herunter. Prinzipiell steht in der Rangordnung die Hupe direkt hinter dem Verkehrspolizisten und die einzige Möglichkeit die Geschwindigkeit wirklich zu drosseln, sind sogenannte „Tote Bullen“. Das ist die Bezeichnung der Bremsschwellen. Von sauberer Luft kann man auch nicht reden, denn aufgrund der Höhe können die Autos nicht mit bleifreiem Benzin fahren, da der Vergaser sonst zu viel Luft ansaugen würde. Das wiederum machen die vielen Rosenplantagen wett. Es ist dort übrigens normal als Fußgänger von den vielen vorbeifahrenden Taxis angehupt zu werden, eine Taxifahrt in Quito kostet ungefähr ein Zehntel von einer in Deutschland. Und ein Service der DSQ bietet Schulbusse an, die die Kinder quasi vor der Haustür abholen. Kein Wunder also, dass die Schule etwa 70 Busse unterhält, und wir als Chor immer einen zur Verfügung gestellt hat.

In den Gastfamilien angekommen, fiel auf, dass fast jedes Haus mindestens einen hohen Zaun und meistens auch andere Sicherheitseinrichtungen oder zumindest Wachhunde hatte. Hunden begegnet man in Ecuador übrigens sowieso viel gelassener: es fallen keine „Kläffer“ auf, die meisten Hunde mit Besitzer laufen in der Stadt trotzdem ohne Leine und benehmen sich vorbildlich, und auch die vielen Streuner sehen selten unterernährt oder krank aus. In vielen Familien gehört auch eine Haushälterin oder Nanny dazu, was aber auch an dem gehobenen Lebensstandard der Familien liegt, die ihre Kinder zur DSQ schicken können. Schließich kostet der Schulbesuch für zwei Kinder ohne Bus und Mittagessen etwa 700$ im Monat (etwa 630€) was bei einem Mindestlohn von 360$ (etwa 320€) schwierig wird. Die Lebenshaltungskosten sind in vielen Bereichen (z. B. Kleidung und Fleisch) auch leicht teurer als in Deutschland. Sogar Schokolade, die ja hautsächlich aus Südamerika kommt, ist hier in Lampertheim billiger! Einzig die Früchte sind günstig: richtig reife Mangos ab 1$, Bananen und Avocados ohne Ende, und in der Sonne fertig gereifte Ananas, Papaya und Drachenfrucht. Und natürlich auch Mais in allen Formen, Kartoffeln und anderes Gemüse. Schweinefleisch muss man allerdings suchen gehen, überall nur Rind und Hühnchen. Man braucht als Urlauber auch nur selten einkaufen zu gehen, von Schals über Zigaretten bis zur geschnittenen Mango wird alles auch auf der Straße verkauft. Hier heißt es dann aber aufpassen: niemals den genannten Preis zahlen, man kann immer etwa 25% herunterhandeln, und Muttersprachler sicher noch mehr.

Ein großer Unterschied zu Deutschland ist das Wasser. In den Leitungen ist es deutlich gechlort und auch aus gefilterten Wasserspendern bleibt ein leichter Beigeschmack. Das ist verständlich, denn die Stadt ist sehr schnell gewachsen, nur das (Ab-)Wassersystem nicht. Deshalb muss mit Chlor-Verunreinigungen vorgebeugt werden und auch deshalb darf das benutze Klopapier nicht in die Schüssel geworfen werden! Es steht immer ein Mülleimer parat, um eben eine Verstopfung der Rohre zu vermeiden. Blöd ist nur, wenn man nach 10 Tagen Papier-in-Eimer-werfen in Europa plötzlich den Mülleimer sucht…

Die Ecuadorianer an sich sind eher klein gewachsen, sodass ich mich mit meinen 1,64m sehr wohl gefühlt habe. Und sie sagen selbst von sich, dass sie sehr verfroren sind. An Abenden, an denen wir Deutsche mit T-Shirt herumgelaufen sind, packen Ecuadorianer die Alpaka-Pullis und Heizstrahler aus. Englisch sprechen sie eher gebrochen (wozu denn auch, alle Nachbarn sprechen schließlich auch Spanisch), aber das macht nichts, sie reden einfach weiter Spanisch. Das Stadtbild ist geprägt von bunten Farben, genauso wie die Kleidung. Interessanterweise habe ich keinen einzigen (eindeutigen) Muslimen gesehen. Dafür sind viele indigene Menschen unterwegs. Generell ist das Christentum sehr vorherrschend, allem voran die Marienverehrung. An jeder zweiten Ecke gibt es eine berühmte Maria, mal mit, mal ohne Flügel, und die entsprechende Kirche, gerne mit viel Goldverzierungen.

Ansonsten fällt auf, dass die ecuadorianische Landschaft auch aussehen kann wie die der schottischen Highlands inklusive der Schafe und trotz der Versicherung, dass es in 3.000m Höhe keine Schnaken gibt, können meine Füße etwas Anderes erzählen.

Und zum Abschluss noch ein paar Klischee-Erfahrungen: Nein, es gibt nicht an jeder Ecke Lamas, abends werden nicht die Haus-Meerschweinchen auf den Grill gelegt, und nicht jeder läuft mit Kokablättern im Mund herum. Aber es stimmt, dass Ecuadorianer alles etwas gelassener sehen („Alles kann, nichts muss“, frei nach Peter Sturm) und unglaublich gastfreundlich und selbstlos sind. Da ist es egal, ob man keine gemeinsame Sprache spricht oder die eigene Familie gerade so über die Runden kommt, jeder bekommt erst mal etwas zu essen, alles wird geteilt und Spaß hat man sowieso. Eine tolle Lebenseinstellung, von der wir sicher etwas mit nach Deutschland nehmen.

Also ¡Hasta la próxima! (Bis zum nächsten Mal!),

Katharina Kern

Kategorien: Ecuador Blog