An jenem Freitagabend im Juli rund um die Kirche Mariä Verkündigung lässt es sich überraschenderweise folgendermaßen beschreiben: freudig, entspannt, heiter – und kreativ.

Der Beobachter blickt in strahlende Gesichter, und fast wirkt es wie im letzten Jahr, als man sich zum traditionellen Sommerfest im benachbarten Pfarrgarten getroffen hatte. Aber eben nur fast. Das Grillfest, mit dem der Chor Ephata dieses Jahr sein 15-jähriges Bestehen feiern wollte, musste coronabedingt abgesagt werden. Seit dem unerwarteten Lockdown im März hatte sich der Chor nicht mehr in voller Besetzung treffen können. Die Wiedersehensfreude an diesem heißen Sommerabend ist daher deutlich zu spüren. Was heute fehlt, sind freundschaftliche Umarmungen, Küsschen oder Händeschütteln zur Begrüßung. Doch stattdessen winkt man sich einfach zu, praktiziert den inzwischen etablierten Fuß- oder Ellbogen-Check oder sogar den Hüft-Check. Und auch ein ehrliches Lächeln oder freundliche Augen über einer bunten Alltagsmaske sagen schließlich vieles.

Der Grund für das Zusammentreffen des Chores Ephata an diesem Abend ist ein ganz besonderer: Das zweite Musikvideo als virtueller Chor soll entstehen. Diesmal nicht als reines Online-Projekt wie beim ersten Mal im Mai, sondern als Hybrid-Projekt, soweit es die Lockerungen in der gegenwärtigen Lage zulassen.

Im Vorfeld traf sich der Chor in, nach Stimmen unterteilten, Kleingruppen im Pfarrgarten zur Chorprobe. Selbstverständlich unter Einhaltung der allgemeinen Hygienebestimmungen sowie der für Chöre geltenden Abstandsregelungen. Hinzu kamen noch Online-Proben via Videokonferenz. Da der Chor aktuell rund 60 Sängerinnen und Sänger umfasst, bedeutete dies allein schon eine organisatorische und zeitliche Herausforderung für die Chorleiterin und Initiatorin des Projektes, Maria Karb. Doch die größten Herausforderungen standen den Beteiligten noch bevor. Nach Ende der Probenphase, die aufgrund der wenigen Probentermine das fleißige Selbststudium des Liedes unabdingbar machte, waren alle Mitwirkenden aufgerufen, das Lied einzeln einzusingen. Andrew Connor stellte dafür seine privaten Räumlichkeiten zur Verfügung und nahm jeden Sänger nach Terminabsprache im eigens geschaffenen Aufnahmestudio auf.

Auch hier war der zeitliche Aufwand immens. 30 Minuten pro Person wurden eingeplant; hinzu kam die anschließende Desinfektion des Raumes und der Geräte. Wie bereits beim ersten Videoprojekt, bei dem sich allerdings jeder Sänger und jede Sängerin selbst zuhause aufgenommen hatte, wurden dann alle Tonspuren übereinander gelegt und so ein virtueller Chor erschaffen. Andrew Connor zeichnete auch für diesen zeitaufwendigen Arbeitsschritt verantwortlich. Schließlich sollte das fertige Lied so harmonisch und voll klingen, wie man es vom „echten“ Chor Ephata gewohnt ist.

Bereits während der Tonaufnahme-Phase hatte die Arbeit für das Videoteam begonnen. Holger Kern und Maria Karb entwickelten gemeinsam ein Drehbuch. Schnell entstand die Idee, sowohl die derzeitige Situation unter Corona einfließen zu lassen, als auch den Chor als Einheit zu zeigen.

Die Chormitglieder selbst ließen sich weitestgehend überraschen und erschienen gespannt und gut gelaunt zur planmäßigen Zeit an der Kirche Mariä Verkündigung. Trotz der Ferienzeit war es den meisten möglich, am Videodreh teilzunehmen.

Wie sich herausstellte, war das Drehbuch im wörtlichen Sinne „durchgetaktet“. Auf den Takt bzw. die Sekunde genau hatten Holger Kern und Maria Karb die Szenen und Einstellungen festgelegt. Durch diese präzise Vorarbeit und die disziplinierte Mitarbeit der Sängerinnen und Sänger, konnten alle Einstellungen in der vorgegebenen Zeit gedreht werden. Aufgrund der strengen Abstandsgebote für Chöre wurde während des Drehs auf echten Gesang verzichtet. So war es eine Premiere für Ephata, Playback zur Demoversion des aufgenommenen Liedes zu singen.

Nach erfolgten Video- und Gesangsaufnahmen übernahm Holger Kern den letzten und entscheidenden Part der Produktion, den Filmschnitt. Er bearbeitete die aufgenommenen Filmsequenzen, schuf Übergänge und brachte Bild- und Tonspur synchron zusammen. So entstand schließlich ein eindrucksvolles und unterhaltsames Musikvideo, das die Begeisterung aller Mitwirkenden für dieses Projekt in Bild und Ton transportiert.

Mit „Take it to the Lord in Prayer“ hat Chorleiterin Maria Karb ein Stück gewählt, das von Joel Raney als Medley zweier bekannter Gospelsongs arrangiert wurde. Es strahlt Ruhe und Gelassenheit aus und ist dennoch ein sehr dynamisches und mitreißendes Stück, bei dem man sich direkt in die Südstaaten als Heimat des Blues versetzt fühlt. Als Gastmusiker wirkten Frank Willi Schmidt am Kontrabass sowie Markus Niebler am Schlagzeug mit. Zudem wurde die Produktion von vielen Freunden des Chores tatkräftig unterstützt. Ephata dankt allen ganz herzlich für diese gelungene Teamarbeit!

Ein besonderes Geburtstagsgeschenk

Mit dem jüngsten Videoprojekt hat der Chor Ephata sich selbst ein unvergessliches, nachträgliches Geburtstagsgeschenk gemacht. Als Geschenk sieht es der Chor ebenfalls an, dass die Dreharbeiten von einem Filmteam der internationalen Nachrichtenagentur Reuters begleitet wurden. So gibt es möglicherweise in Kürze einen Beitrag im Internet oder Fernsehen zu sehen, der die aktuelle Situation für Chöre in Zeiten von Corona anhand des Ephata-Videodrehs beleuchtet.

Es ist derzeit noch ungewiss, unter welchen Voraussetzungen der Chor in den nächsten Monaten proben kann und wann wieder Auftritte möglich sein werden. Sicher ist, dass die Mitglieder sich dafür einsetzen, den Chor lebendig zu halten und auch weitere neue Stücke einzustudieren. Schließlich sollen im nächsten Jahr die beiden abgesagten Konzerte für den Lions-Club in Lampertheim sowie den Rotary-Club im Saarland nachgeholt und bald auch wieder Gottesdienste und andere Veranstaltungen musikalisch begleitet werden. Und selbstverständlich brennen die Sängerinnen und Sänger geradezu darauf, das neue Lied im Repertoire endlich einmal gemeinsam zu singen und live zu präsentieren.

Text von Ina Schollmeier

Kategorien: 2020